Die meisten Menschen verbinden Mikroben ausschließlich mit „Erregern", die unser Leben angreifen, unsere Lebensmittel und die für ihre Herstellung verwendeten Rohstoffe verderben. Viele Mikrobenpopulationen agieren jedoch in für uns positivem Sinn und dienen auf vielfältige Weise unserer Ernährung. Wir präsentieren beispielhaft in einer Collection von zwölf Bildern die faszinierende Wechselwirkung zwischen Mikroben und Lebensmitteln.
Die Bilder entstanden in Zusammenarbeit mit den Künstlern Gudrun Wicke und Helmut Wenzel (Maler) zum 10jährigen Jubiläum der SLM- Speziallabor für angewandte Mikrobiologie GmbH im Jahr 2008.
Penicillium roqueforti
Blauschimmel im Gorgonzola
Käse entsteht durch Dicklegung von Milch, Herstellung von Käsebruch und dem Pressen, Formen und Salzen der Oberfläche. Erst während der Reifung erhalten die meisten Käsesorten durch die Wirkung von vielen verschiedenen und für sie typischen Bakterien und Schimmelpilze ihre unverwechselbaren Aromen. Penicillium roqueforti entwickelt während seines Wachstums im Inneren der Edelpilzkäse Gorgonzola und Bavaria blue unterschiedliche Aromastoffe und bildet gleichzeitig die charakteristischen blauen Adern. – Schon die Römer kannten laut Plinius dem Älteren im Jahr 79 roquefortartigen Käse. Erstmalig 1060 wurde Roquefort unter diesem Namen in Klosterbüchern erwähnt. Karl VI. erteilte 1411 den Bewohnern von Roquefort das Monopol für die Käsereifung in Kalksteinhöhlen des Bergmassivs Combalou.
Algen
Spirulina als beispielhafte vitamin- und mineralstoffreiche Nahrungsergänzung
Weltweit sind bisher über 80.000 Algenarten bekannt. Da viele von ihnen giftig sind, werden nur ca. 160 industriell u. a. als Nahrungsmittel genutzt. Algen besitzen einen außerordentlich hohen Anteil an Mineralstoffen, Spurenelementen, Kohlenhydraten, ungesättigten Fettsäuren und Beta-Carotin. Seit 2.500 Jahren werden in China Algen verzehrt. Über 9 Millionen Tonnen pro Jahr werden heute in der asiatischen Küche vielseitig verwendet: gekocht, gebraten, gedämpft, in Essig eingelegt, als Gewürz oder Tee, zu Salaten verarbeitet, Suppen zugegeben, als Gemüsebeilage oder Nori-Blätter für Sushi und getrocknet als Nahrungsergänzung (Spirulina in Snacks). Außerdem gewinnt man durch Extraktion Vitamine, Eiweiße, Zucker und essentielle Fettsäuren.
Saccharomyces cerevisiae
Ober- und untergärige Brauhefe zur Bierherstellung
Seit 6.000 Jahren wird Hefe zur Bierherstellung genutzt. Saccharomyces cerevisiae ist lateinisch und heißt „Zuckerpilz des Bieres". In Deutschland wird Bier nach dem seit 1516 geltenden Reinheitsgebot aus Gerstenmalz, Hopfen und Wasser unter Zusatz von Hefe hergestellt. Bei der 4-bis 6-tägigen Obergärung entstehen leichtere Biere wie Alt und Kölsch. Die Hefe steigt zum Abschluss der Gärung, wenn alle Zuckermoleküle zu Alkohol und Kohlendioxid umgesetzt wurden, nach oben. Die Bezeichnung „Altbier" zeigt an, dass dieses Bier das ursprüngliche, ältere ist. In Pilsen wurde erstmalig untergäriges Bier gebraut. Bei der Untergärung gewinnt man nach 8 bis 10 Tagen Biere nach "Pilsner-Brauart". Die Hefe sinkt zum Abschluss der Gärung nach unten.
Weißschimmel
Haltbarkeit und Aromabildung auf der Salamioberfläche
Aus hochwertigem Muskelfleisch, kernigem Speck und Gewürzen stellt man ein Fleischbrät her und füllt es in Naturdärme. Damit daraus eine schnittfeste Salami entsteht, ist eine lange, mehrmonatige Reifung bei wechselnden Temperaturen und Luftfeuchten erforderlich. Milchsäurebakterien im Inneren der Wurst verbinden die einzelnen Bestandteile miteinander und verhindern durch die Säurebildung Fäulnis. Auf der äußeren Wursthülle entwickeln sich Schimmelpilze, deren Sporen in den Reifungsräumen vorhanden sind. Sie erzeugen unterschiedlichste Aromastoffe und schützen die Dauerwurst vor Austrocknung und Verderb. – Das Wort „salame" ist die italienische Bezeichnung für Salzwurst.
Aspergillus oryzae
Schimmelpilze zur Herstellung asiatischer Spezialitäten aus Soja
Sojabohnen wurden vor rund 5.000 Jahren in China kultiviert und sind für die dortige Ernährung ein wichtiger Eiweißlieferant. Damit sie essbar und verdaulich werden, müssen sie entweder lange gekocht oder mittels verschiedener Mikroorganismen fermentiert werden. Durch die Einwirkung von Schimmelpilzen wie Aspergillus oryzae, Mucor oder Rhizopus auf Soja entstehen unterschiedliche Produkte. Sie werden u. a. als Würzsoßen (Tamari), ballaststoffreiche, herzhafte Snacks (Tempeh) und als weiche Quarkkuchen (Tofu) zubereitet. – Heute erfreuen sich Sojaspezialitäten auch in Europa zunehmender Beliebtheit. Die Welt-Sojabohnenerzeugung von ca. 220 Millionen Tonnen beansprucht nach Mais die zweitgrößte Anbaufläche mit ca. 40 Millionen Hektar.
Mucor
Herstellung von A-C-E-Vitaminen, Genusssäuren und Enzymen zur Aufwertung von Lebensmitteln
Schimmelpilze produzieren auf Nährmedien Vitamine und Genusssäuren wie Zitronen-, Milch- oder Äpfelsäure. Sie werden gewonnen und gereinigt. Genauso erhält man Enzyme aus dem Stoffwechsel der Pilze. Zur Aufwertung von Getreideerzeugnissen werden ihnen fehlende Vitamine zugesetzt. Bei Säften gleicht man die Verluste an Vitaminen aus, die sie zuvor bei der Fruchtverarbeitung verlieren. Safttrübungen werden mit Enzymen ausgefällt. Mit Säuren werden Lebensmittel aromatisiert oder haltbar gemacht. – Mucor, auch Köpfchenschimmel genannt, ist eine Gattung der Schimmelpilze mit rund 40 Arten. Er kommt überwiegend auf pflanzlichem organischen Material wie feuchtem Brot, Obst oder Gemüse vor und wird industriell zur Produktion von Enzymen genutzt.
Botrytis cinerea
Edelfäule auf Weinbeeren
Seit vielen tausend Jahren wird Wein durch die Vergärung von Traubenmost hergestellt. Die Qualität des Weines hängt u. a. davon ab, wann die Trauben geerntet werden. Sind sie reif und verbleiben noch am Weinstock, kann sich der Schimmelpilz Botrytis cinerea auf den Beeren vermehren (Edelfäule). Er perforiert die Beerenhaut und das Wasser verdunstet. Die Trauben trocknen ein, der Zuckergehalt und die traubeneigenen Geschmacks- und Aromastoffe erhöhen sich. Dies führt zu einer erheblichen Steigerung der Weinqualität. Die Beeren werden nach der Ernte verlesen, gemostet und daraus mittels Hefen ein besonders edler, schwerer Wein hergestellt.
Milchsäurebakterien
Herstellung von Sauermilchprodukten wie Joghurt, Quark und Harzer Käse
Milch wird sauer, wenn bestimmte Bakterien den Milchzucker (Lactose) abbauen und daraus Milchsäure bilden. Durch die Säure gerinnen die Eiweiße und es entsteht eine feste Masse, die viele durch die Bakterien gebildete Aromastoffe enthält. Die Masse kann mit Zusätzen versehen als Joghurt gegessen werden oder es wird Wasser abgepresst und Quark oder Frischkäse hergestellt. Wird der Quark geformt, gewürzt (z. B. mit Kümmel) und einer kurzen Reifung unterzogen, entsteht Harzer Käse. Die Farbe verändert sich von Weiß zu einem durchscheinenden, gelblichen Ton. Die in Sauermilchprodukten vorhandenen Milchsäurebakterien halten die Darmflora des Menschen im optimalen Gleichgewicht. Auch Menschen mit Lactoseintoleranz vertragen Sauermilchprodukte.
Acetobacter
„Essigmutter" zur Herstellung von Wein- und Obstessig
Essig entsteht oft unbeabsichtigt bei der Weinherstellung, wenn Bakterien den Alkohol zu Essigsäure vergären. Damit der Essig durch die Bakterien nicht trüb wird, setzt man Obst- oder anderen Weinen eine „Essigmutter" zu, bei der die Essigsäurebakterien eine gallertige, pilzartige, schleimige Masse bilden. Ist der Alkohol zu Essigsäure umgesetzt, kann die „Essigmutter" wieder entfernt und für eine neue Gärung genutzt werden. Apfelessig ist ein Speiseessig aus Apfelwein und gilt als Mittel der Naturheilkunde. Der sog. Teepilz, der z. B. zur Herstellung von Kombucha genutzt wird, enthält neben den Essigsäurebakterien auch Hefen. Alle gemeinsam produzieren ein leicht säuerliches, aromatisches, erfrischendes Getränk mit vielen wertvollen Inhaltsstoffen.
Backhefe
Bildung von Kohlendioxid zum „Gehen" von Teigen
Zur Herstellung eines Teiges benötigt man Mehl, Wasser und Hefe. Die Luft ist voll von wilden Hefen. Vor 6.000 Jahren hat sich eine von ihnen auf den Teig eines Bäckers gesetzt und innerhalb von 6 Stunden eine Million Nachkommen erzeugt. Die Hefen besitzen spezielle Enzyme, welche im Teig die Kohlenhydrate umwandeln und dabei Kohlendioxid bilden. Dieses lässt das Brot „aufgehen". Heute werden zum Backen industriell hergestellte, optimierte Backhefen der Varietät Saccharomyces cerevisiae verwendet, die in Würfel gepresst oder gefriergetrocknet sind. – Hefe vermehrt sich ideal bei ca. 28°C, ihre beste Triebtemperatur liegt bei 32°C und bei 45°C beginnt sie zu sterben.
Bakterienmischkultur
Umsetzung von Pökelsalz, Bildung einer stabilen roten Fleischfarbe
Frisches Fleisch wird durch Oxidation des roten Muskelfarbstoffs (Myoglobin) schnell blass und verdirbt durch Besatz mit unerwünschten, gesundheitlich bedenklichen Mikroorganismen. Durch Pökeln, auch Umröten genannt, wird mit einem seit der Antike bekannten Verfahren, Fleisch durch Pökelsalz konserviert. Das im Pökelsalz vorhandene Nitrit wird durch die Aktivität der Bakterienmischkultur von der Oberfläche des Fleisches zu Stickstoffoxid abgebaut. Dieses verbindet sich mit dem Myoglobin und sorgt damit für eine ansehnliche, stabile rote Farbe. Hinzu kommt das typische unvergleichliche „Pökelaroma" des Fleisches.
Lactobacillus ssp.
Herstellung von milchsauer-vergorenem Gemüse
Zu seiner Weltumsegelung 1772-1775 nahm Kapitän Cook 60 Fässer Sauerkraut mit an Bord. Über drei Jahre lang wurde das milchsauer-vergorene, Vitamin-C-reiche Gemüse regelmäßig an die Mannschaft verteilt und verhinderte so den gefürchteten Skorbut. – Alle Gemüsearten können durch die Zugabe von Salz und die Entfernung von Luftsauerstoff haltbar gemacht werden. Verschiedene Lactobacillen (Milchsäurebakterien) wachsen unter diesen Bedingungen besonders gut, unterdrücken Fäulnisbakterien und produzieren konservierende Milchsäure und Aromastoffe. Es entstehen genussfertige, haltbare, kalorienarme und gesunde Produkte. Dies ist das am längsten bekannte Konservierungsverfahren.